Allgemeines
Was ist React eigentlich und was ist es nicht?
Zitieren wir hier an erster Stelle mal die React-Dokumentation, denn die bringt es sehr prägnant auf den Punkt:
[React is] a library for building user interfaces.
Auch wenn die Erklärung sehr kurz ist, kann man aus ihr alle essentiellen Dinge ableiten, die für die Arbeit mit React wichtig sind und um zu verstehen worum es sich dreht. React ist erst einmal nur eine Library, kein vollständiges Framework mit unzähligen Funktionen, mit dem ihr ohne weitere Abhängigkeiten komplexe Web-Anwendungen entwickeln könnt. Und da kommen wir auch schon zum zweiten Teil des Satzes: for building user interfaces.
React ist also erst einmal lediglich eine Library die es euch einfach macht, Benutzerinterfaces zu entwickeln. Keine Services oder Methoden um API-Calls zu machen, keine built-in Models oder ORM. Nur User Interfaces. Sozusagen nur der View-Layer eurer Anwendung. That’s it! In diesem Zusammenhang liest man gelegentlich, dass React das „V“ in MVC (Model-View-Controller) oder MVVM (Model-View-ViewModel) darstellt. Das trifft es in meinen Augen ganz gut.
React bietet einen deklarativen Weg um den State, also den Zustand eines User Interfaces zu beschreiben. Vereinfacht gesagt bedeutet das, ihr beschreibt mit eurem Code im Grunde explizit wie euer User Interface aussehen soll, abhängig davon, in welchem State eine Komponente sich befindet. Einfaches Beispiel zur Veranschaulichung dieses Prinzips: ist ein Benutzer eingeloggt, zeige das Dashboard; ist er es nicht, zeige das Login-Formular.
Die Logik selbst befindet sich dabei komplett im JavaScript-Teil der Anwendung (dort, wo sie also immer hingehören sollte) und nicht in den Templates selbst, wie das bei den allermeisten anderen Web-Frameworks die Regel ist. Klingt erst einmal kompliziert, es wird aber im weiteren Verlauf immer deutlicher, was damit eigentlich gemeint ist.
React arbeitet dabei komponentenbasiert, d.h. man entwickelt gekapselte, funktionale Komponenten, die beliebig zusammengestellt (composed) und wiederverwendet werden können. Erweiterung bzw. Vererbung von Komponenten ist zwar theoretisch möglich, jedoch sehr unüblich in der React-Welt. Hier wird auch von offizieller Seite der Composition-Ansatz propagiert, bei dem mehrere Komponenten zu einem „Gesamtbild“ zusammengefügt werden statt mit Inheritance (also Vererbung) zu arbeiten.
Bedeutet das jetzt also, dass ich keine komplexen Web-Anwendungen mit React entwickeln kann? Nein. Absolut nicht. React besitzt ein sehr großes, sehr aktives und zum großen Teil auch sehr hochqualitatives Ecosystem an Libraries, die wiederum auf React basieren, es erweitern oder ergänzen und so zu einem mächtigen Werkzeug werden lassen, das sich hinter großen Frameworks wie Ember oder Angular nicht verstecken muss. Im Gegenteil. Ist man erst einmal in die Welt des React-Ecosystems eingetaucht und hat sich einen Überblick verschafft, hat man ganz schnell eine Reihe an wirklich guten Tools und Libraries gefunden, mit denen man professionelle, super individuelle und hochkomplexe Anwendungen entwickeln kann.
Wann sollte ich React benutzen und wann nicht?
Insbesondere kurz nachdem React an Fahrt aufnahm, wurde oft die Frage gestellt, ob die Tage von jQuery nun gezählt sind - ob man nun alles mit React entwickeln kann oder gar soll oder wann der Einsatz von React sinnvoll oder vielleicht auch gar nicht sinnvoll ist.
React ist, wie wir bereits geklärt haben, erst einmal eine Library für die Erstellung von User Interfaces. User Interfaces bedeuten immer Interaktion. Und Interaktion geht zwangsweise in den meisten Fällen einher mit State-Management. Ich drücke einen Knopf und ein Dropdown öffnet sich. Ich ändere also den Zustand von geschlossen auf offen. Ich gebe Daten in ein Eingabefeld ein und bekomme angezeigt, ob meine eingegebenen Daten valide sind. Sind sie es nicht, ändert sich der Zustand des Eingabefeldes von gültig in ungültig. Und genau hier kommt React ins Spiel. Habe ich keine Interaktion oder „sich ändernde Daten“ auf meiner Seite, weil ich etwa eine reine statische Image-Seite für ein Unternehmen entwickle, brauche ich wahrscheinlich kein React.
Falsch umgesetzt kann React hier sogar schaden, da auf einer Image-Website oftmals der Content im Vordergrund steht und sofern man seine React-Komponenten nicht bereits serverseitig vorrendert, können die meisten Suchmaschinen mit der Seite erst einmal wenig anfangen. React macht es uns aber glücklicherweise sehr einfach, unsere Komponenten serverseitig zu rendern, von daher ist das noch ein Problem, welches sich in der Regel leicht beheben lässt.
Habe ich hingegen sehr viel Interaktion und ein Interface, das sich oft aktualisiert, wird der Einsatz von React mit ziemlich hoher Wahrscheinlichkeit sehr viel Zeit und Nerven sparen. Grundsätzlich gilt hier die Faustregel: je mehr Interaktion in einer Website oder Web-Anwendung stattfindet und je komplexer diese ist, desto mehr lohnt sich der Einsatz von React. Das griffigste Beispiel sind hier Single Page Applications (SPA), bei denen die Anwendung nur einmal im Browser aufgerufen und initialisiert wird und jegliche weitere Interaktion und Kommunikation mit dem Server über fetch-Requests oder XHR (den meisten besser bekannt als „AJAX-Requests“) abläuft.
Ich habe es kürzlich selbst in einem Projekt erlebt, dass ich ein Anmeldeformular entwickeln musste, welches mir ziemlich simpel erschien und ich startete erst einmal ohne React. Im Laufe der Entwicklung stellte sich heraus, dass zum Zwecke besserer Usability immer mehr (Hintergrund-)Interaktion nötig wurde. So sollte bspw. nachträglich eine automatische Live-Validierung von Formulardaten eingebaut und der Anmeldeprozess in 2 Schritte unterteilt werden, so dass ich recht zügig dann doch auf React zurückgegriffen habe, weil mir das manuelle State-Management und die imperative Veränderung des User Interfaces einfach zu umständlich wurde.
Imperativ bedeutet in dem Fall, dass ich dem Browser sage, was er machen soll, wohingegen ich bei deklarativem Code, wie man ihn mit React schreibt, lediglich das gewünschte Endergebnis anhängig vom aktuellen Zustand beschreibe. Eines der Kernprinzipien von React. Um beim Beispiel von oben zu bleiben: statt zu sagen „ich bin nun eingeloggt, lieber Browser, bitte blende nun das Login-Formular aus und zeige mir das Dashboard“, definiere ich zwei Ansichten: So, lieber Browser, soll mein Interface aussehen wenn ich eingeloggt bin (Dashboard-Ansicht) und so, wenn ich es nicht bin (Login-Ansicht). Welche der Ansichten angezeigt wird, entscheidet dann React anhand des Zustands der Komponente.
Wo hat React seinen Ursprung?
React wurde ursprünglich von bzw. bei Facebook entwickelt und später dann, bereits 2013, unter der BSD-Lizenz als Open Source der Öffentlichkeit zugänglich gemacht, die nach einigen Protesten in eine MIT-Lizenz geändert wurde. Und so basiert auch ein sehr großer Teil von Facebook auf React. Mittlerweile sollen sich dort sogar über 50.000 eigene Komponenten im Einsatz befinden - was insofern schön ist, als dass Facebook dadurch natürlich ein großes Interesse an der permanenten Weiterentwicklung hat und man nicht befürchten muss, dass man seine Anwendung auf Basis einer Technologie entwickelt hat, die plötzlich nicht mehr weiterentwickelt wird.
Die React Core-Entwickler leisten dabei sehr gute Arbeit darin, die Community frühzeitig in Entscheidungen miteinzubeziehen und mitdiskutieren zu lassen. Eigens dazu gibt es ein GitHub-Repository mit React RFCs („Request for Comments“), mittels dessen geplante Änderungen frühzeitig zur Diskussion gestellt werden und mittels dessen dem React-Team auch eigene Vorschläge unterbreitet werden können.
Breaking Changes, also Änderungen, die nicht abwärtskompatibel sind, folgen einem festen Deprecation Schema und so werden Methoden, Eigenschaften und Funktionen, deren Entfernung geplant ist, erst einmal für einige Zeit mit aussagekräftigen Deprecation Warnings versehen und es werden sogar Tools bereitgestellt, mit denen sich alter Code weitestgehend automatisiert anpassen lässt (React-Codemod). React hält sich hier strikt an Semver-Konventionen.
Dies bedeutet, dass nur neue Major-Releases (16.x.x
auf 17.x.x
) Breaking Changes enthalten, Minor-Releases (bspw. 16.6.x
auf 16.7.x
) enthalten neue Features oder bekommen Deprecation Warnings, die den Entwickler auf kommende Major-Releases vorbereiten, während Patch-Releases (bspw.16.8.0
auf 16.8.1
) lediglich Bugfixes beinhalten.
Vor dem Release von Major- oder Minor-Releases gibt es regelmäßig auch Alpha-, Beta- und RC- („Release Candidate“) Versionen, mit denen man vorab schon einen Blick auf kommende Features werfen kann. Diese sind aber jeweils mit Vorsicht zu genießen, da sich die Funktionsweise neuer Features bis zum endgültigen Release noch ändern könnten.
Dies ist sicher dem Umstand geschuldet, dass eben auch bei Facebook sehr viele React-Komponenten im Einsatz sind und man dort nicht einfach mal eben tiefgreifende Änderungen vornehmen kann, ohne Probleme zu verursachen. Die Gedanken und Begründungen der Entwickler lassen sich dabei jederzeit ausführlich im GitHub Issue-Tracker verfolgen, alle wichtigen Änderungen werden dabei in sog. Umbrella-Tickets zusammengefasst.
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