Event-Handling

Ein wesentlicher Teil bei der Entwicklung von Anwendungen mit einem komplexen User Interfaces ist natürlich die Interaktion zwischen Benutzer und dem Interface an sich - insbesondere in Form von Events.

Ich drücke einen Knopf und es passiert etwas. Ich schreibe einen Text in ein Feld und es passiert etwas. Ich wähle ein Element aus einer Liste und es passiert etwas. In einfachem JavaScript stellt uns der Browser dafür die Methoden addEventListener() und removeEventListener() bereit. Auf diese beiden Event-Methoden kann in React in den meisten Fällen nahezu komplett verzichtet werden, da React ein eigenes System zum Definieren von Benutzerinteraktion gleich mitbringt. Und zwar, nicht erschrecken: über Inline-Events.

Diese Inline-Events haben rein äußerlich sehr große Ähnlichkeit zu den HTML Event-Attributen (also bspw. <button onclick="myFunction" />) und doch ist ihre Funktionsweise grundlegend anders.

Da wurde uns Web-Entwicklern über Jahre immer wieder beigebracht, dass man seine Event-Listener sauber von seinem Markup trennen sollte, Separation of Concerns, dann kommt React daher und macht wieder einfach alles anders.

Und das ist in diesem Fall auch gut so, denn durch die Verwendung eines eigenen Systems zur Verwaltung von Events, nimmt uns React hier wieder eine ganze Menge Arbeit ab und ermöglicht es uns außerdem, sehr leicht im Komponenten-Kontext zu bleiben, indem wir alle Event-Handler als Klassen-Methoden implementieren können und so sowohl Darstellungslogik als auch Verhaltenslogik in einer einzigen Komponente kapseln können. Kein mühsames und unübersichtliches hin- und herspringen zwischen Controllern und Views!

Unterschiede zur nativen Event API

Events in React und JSX werden wie erwähnt sehr ähnlich definiert wie HTML Event-Attribute. Doch es gibt einige Unterschiede. So werden Events in React in CamelCase-Form definiert, statt in Lowercase. Somit wird aus onclick in React onClick, aus onmouseover wird onMouseOver, ontouchstart wird zu onTouchStart usw.

Der dem Event-Handler übergebene erste Parameter ist auch kein Objekt vom Typ Event, sondern ein sogenannter SyntheticEvent, ein React-eigener Wrapper um das native Event-Objekt. Dieser Wrapper ist Teil des React Event Systems und dient als eine Art Normalisierungsschicht, um Cross-Browser-Kompatibilität zu gewährleisten. Dabei hält diese sich, anders als so mancher Browser, strikt an die Event-Spezifikation des W3C.

Ein weiterer Unterschied zur nativen Browser-Event-API ist der, dass explizit preventDefault() aufgerufen werden muss um das Standardverhalten des Browsers bei einem Event zu unterdrücken, statt lediglich false aus dem Event-Handler zurückzugeben.

Und nicht zuletzt ist der im Event-Attribut (bzw. Event-Prop in JSX) angegebene Wert eine Referenz zu einer Funktion statt wie in HTML ein String. Folglich benötigen wir hier die geschweiften Klammern um JSX mitzuteilen, dass es sich um einen JavaScript-Ausdruck handelt.

Wie das aussieht? So:

<button onClick={validateInput}>Validate</button>

Wohingegen ein vergleichbarer Event in HTML wie folgt aussähe:

<button onclick="validateInput">Validate</button>

Dieses Vorgehen, das auf den ersten Blick einigen vielleicht erst einmal etwas eigenartig anmuten könnte, bringt aber einige großartige Vorteile mit sich. Und so bekommen wir, wie eingangs bereits angesprochen, Cross-Browser-Kompatibilität „for free“. React registriert dabei im Hintergrund die Events sauber mittels addEventListener() und entfernt diese auch automatisch wieder für uns, sobald die Komponente entfernt (unmounted) wird. Praktisch!

Scopes in Event-Handlern

Bei der Verwendung von ES2015-Klassen in React ist es für gewöhnlich so, dass Event-Handler als Methoden der Klassen-Komponente implementiert werden. Hierbei muss jedoch beachtet werden, dass Klassen-Methoden nicht automatisch an die Instanz gebunden werden. Klingt kompliziert, bedeutet aber lediglich, dass this in eurem Event-Handler grundsätzlich erstmal undefined ist.

Hierzu ein kurzes Beispiel:

class Counter extends React.Component {
  state = {
    counter: 0,
  };

  increase() {
    this.setState((state) => ({
      counter: state.counter + 1,
    }));
  }

  render() {
    return (
      <div>
        <p>{this.state.counter}</p>
        <button onClick={this.increase}>+1</button>
      </div>
    );
  }
}

Hier definieren wir also einen onClick-Event, um den Zähler jeweils um 1 zu erhöhen, sobald der Benutzer auf den Button +1 klickt. Beim Klick auf den Button sieht unser Benutzer aber stattdessen:

TypeError

Cannot read property 'setState' of undefined

Und warum? Scoping! Da wir uns beim Klick auf den Button im Event-Handler increase() außerhalb der Komponenten-Instanz bewegen, können wir eben auch nicht auf this.setState() zugreifen. Dies ist kein fehlerhaftes Verhalten von React, sondern das Standardverhalten von ES2015-Klassen. Um dieses Problem zu lösen, gibt es nun verschiedene Möglichkeiten.

Method-Binding in der render()-Methode

Die trivialste Methode ist das Binden der Methode innerhalb der render()-Methode. Dazu fügen wir ein .bind(this) an die Referenz zur Klassen-Methode:

<button onClick={this.increase.bind(this)}>+1</button>

Die Methode wird nun im Scope der Komponenten-Instanz aufgerufen und unser Counter zählt problemlos hoch. Dieses Muster sieht man relativ häufig, da es einfach implementiert ist, es hat jedoch einen grundlegenden Nachteil. Denn es wird bei jedem Aufruf der Methode „on-the-fly“ eine neue Funktion erzeugt, die nicht mehr mit der vorherigen identisch ist. Ein simpler Check in einer shouldComponentUpdate()-Methode, der auf Gleichheit von this.props.increase === prevProps.increase prüft, würde somit stets false ergeben und ggf. ein Re-Rendering einer Komponente veranlassen, auch wenn sich die Funktion an sich nicht geändert hat. Dies ist ein potentielles Performance-Bottleneck und sollte daher möglichst vermieden werden!

Method-Binding im Constructor

Eine andere, sauberere Möglichkeit eine Methode an eine Klassen-Instanz zu binden, ist dies im Constructor bei der Instanziierung einer Klasse zu tun.

class Counter extends React.Component {
  constructor(props) {
    super(props);
    this.state = {
      counter: 0,
    };
    this.increase = this.increase.bind(this);
  }
  // […]
}

Auf diesem Weg wird die Methode nur einmal an die Instanz gebunden. Ein eventueller Check auf Gleichheit von Methoden würde also true ergeben und unnötige Re-Renderings könnten bei der Verwendung sinnvoller shouldComponentUpdate()-Checks vermieden werden. Allerdings bringt dieser Weg auch eine ganze Menge Overhead mit sich. Vorausgesetzt, wir nutzen nicht ohnehin bereits einen Constructor, müssen wir diesen nun implementieren. Dazu sollten wir die super(props) Methode aufrufen, um die Props der Komponente an die React.Component Eltern-Klasse zu übergeben. Letztendlich schreiben wir noch zweimal den Namen der Methode, die wir binden wollen, indem wir sie sozusagen mit der an this gebundenen Version von sich selbst überschreiben.

Das ist dennoch schon mal besser als die erste Methode, auch wenn es mehr Schreibarbeit ist, da wir uns potentielle Performance-Bottlenecks ersparen. Aber es gibt noch eine weitere, einfache Möglichkeit, um mit minimalem Mehraufwand eine Methode an eine Instanz zu binden.

Benutzung von Class Properties

Achtung: dieser Weg setzt die Verwendung des Babel-Plugins @babel/plugin-proposal-class-properties voraus. Da dies jedoch wie bereits in der Einleitung beschrieben in den meisten React-Setups zum Standard gehört, gehe ich also davon aus, dass Class Properties genutzt werden können. Ist dies nicht der Fall, sollten Event-Handler-Methoden immer im Constructor gebunden werden!

Aber wie binden wir jetzt unsere Methode indem wir Class Properties nutzen? Streng genommen: indem wir schummeln! Statt wie im Eingangsbeispiel eine echte Klassen-Methode zu implementieren, definieren wir eine Public Class Property, die als Wert eine per Arrow Function an die jeweilige Klasse gebundene Function zugewiesen bekommt. Das sieht dann wie folgt aus:

class Counter extends React.Component {
  state = {
    counter: 0,
  };
  increase = () => {
    this.setState((state) => ({
      counter: state.counter + 1,
    }));
  };
}

Der entscheidende Faktor liegt hier in der ersten Zeile. Statt:

increase() { … }

Schreiben wir:

increase = () => { … }

Problem gelöst!

Der Unterschied liegt hier wie erwähnt darin, dass wir im ersten Beispiel eine echte Klassen-Methode implementieren und im zweiten Fall stattdessen einer gleichnamigen Eigenschaft dieser Klasse eine Arrow Function als Wert zuweisen. Da diese kein eigenes this bindet, greifen wir hier auf das this der Klassen-Instanz zu.

Events außerhalb des Komponenten-Kontexts

Die Verwendung von React schließt auch die Implementierung von nativen Browser-Events nicht aus. Allerdings sollte nach Möglichkeit immer das React-eigene Event-System verwendet werden, da dieses Cross-Browser-Kompatibilität mitbringt, nach dem W3C Standard für Browser-Events arbeitet und zahlreiche Optimierungen vornimmt.

Gelegentlich ist es jedoch notwendig, Events außerhalb des Komponenten-Kontexts zu definieren. Ein Klassisches Beispiel sind window.onresize oder window.onscroll Events. Hier bietet React von Haus aus keine Möglichkeit, um globale Events außerhalb des komponentenspezifischen JSX zu definieren. Hier ist dann die componentDidMount()-Methode der richtige Ort um diese zu definieren. Dabei sollte allerdings auch stets darauf geachtet werden, dass Events, die mittels addEventListener() definiert werden, immer auch entfernt werden!

Der richtige Ort dafür ist dann die componentWillUnmount()-Methode. Werden eigene definierte globale Events nicht entfernt, werden diese mit jedem Mounting einer Komponente erneut hinzugefügt und auch erneut mehrmals aufgerufen, was letztendlich ebenfalls zu Performance-Bottlenecks und sogar zu Memory-Leaks führen kann.

Arbeiten mit dem SyntheticEvent Objekt

React übergibt Event-Handlern kein natives Event-Objekt, sondern ein eigenes Objekt vom Typ SyntheticEvent. Dies dient insbesondere dazu, Cross-Browser kompatibles Verhalten zu gewährleisten. React hält das originale Event aber in der Objekt-Eigenschaft nativeEvent bereit. Sollte also jemals der Bedarf bestehen auf den Original-Event zuzugreifen (ist mir bisher noch nie passiert): ihr findet ihn in der e.nativeEvent Eigenschaft.

Das SyntheticEvent-Objekt hat aber noch eine weitere Besonderheit im Vergleich zum nativen Event-Objekt, denn es ist kurzlebig. Aus Performance-Gründen wird das Objekt nach dem Aufruf des Event-Callbacks nullified, also kurz gesagt: es wird zurückgesetzt auf den Ausgangszustand. Ein Zugriff auf Eigenschaften des Event-Objekts außerhalb des originalen Event-Handlers ist daher nicht ohne Weiteres möglich.

Was bedeutet das? Nun, folgendes Beispiel:

class TextRepeater extends React.Component {
  state = {};

  handleChange = (e) => {
    this.setState((state) => ({
      value: e.target.value,
    }));
  };

  render() {
    return (
      <div>
        <input type="text" onChange={this.handleChange} />
        <p>{this.state.value}</p>
      </div>
    );
  }
}

Wir registrieren ein onChange-Event, das bei einer Änderung im Textfeld den eingegebenen Wert in einem Paragraphen unter dem Textfeld wieder ausgibt. Um im Event-Handler auf den eingegebenen Wert zuzugreifen, das kennt ihr möglicherweise bereits aus nativem JavaScript oder von jQuery-Events, stellt das Event-Objekt die Eigenschaft target bereit. Damit bekommen wir das Element, auf dem das Event stattgefunden hat, in unserem Beispiel also das Textfeld. Dieses wiederum besitzt eine value-Eigenschaft mittels der wir dann auf den aktuellen Wert des Textfelds zugreifen, um diesen in unseren State zu schreiben.

Hier haben wir aber nun mit einem Fallstrick zu tun: der this.setState()-Aufruf nutzt eine Updater-Funktion, also einen Callback. Dieser findet außerhalb des eigentlichen Event-Handler Scopes statt. Das bedeutet, das SyntheticEvent wurde zu diesem Zeitpunkt bereits wieder zurückgesetzt und e.target existiert zum Zeitpunkt des Aufrufs der Updater-Funktion schon gar nicht mehr:

TypeError

Cannot read property 'value' of null

Die einfachste Lösung wäre hier statt der Updater-Funktion ein Object-Literal zu verwenden:

handleChange = (e) => {
  this.setState({
    value: e.target.value,
  });
};

Damit wäre unser Problem in dem Fall zwar gelöst, das hilft uns aber trotzdem nicht sonderlich weiter. Denn auf das gleiche Problem stoßen wir auch, wenn wir auf Eigenschaften des SyntheticEvent-Objekts bspw. in einem setTimeout()-Callback zugreifen wollen. Wir müssen uns also etwas anderes einfallen lassen.

Werte in Variablen schreiben

In den meisten Fällen sollte es ausreichen, wenn einzelne Werte, auf die später im Callback zugegriffen werden soll, in eine Variable geschrieben werden. Im Callback wird dann nicht mehr auf das SyntheticEvent zugegriffen, sondern lediglich auf die Variable, die einen Wert aus dem SyntheticEvent zugewiesen bekommen hat.

handleChange = (e) => {
  const value = e.target.value;
  this.setState(() => ({
    value: value,
  }));
};

Klappt. Bonuspunkte für Eleganz gibt es bei der Verwendung von Object Destructuring und dem Object Property Shorthand:

handleChange = (e) => {
  const { value } = e.target;
  this.setState(() => ({ value }));
};

Persistieren von SyntheticEvents mittels e.persist()

Theoretisch möglich, in der Praxis aus meiner Erfahrung eher irrelevant: Das SyntheticEvent-Objekt stellt eine eigene Methode persist() bereit, mit der eine Referenz zum entsprechenden Event beibehalten (also persistiert) werden kann. Ein möglicher Anwendungsfall wäre hier, das gesamte SyntheticEvent-Objekt an eine Callback-Funktion außerhalb des Event-Handlers weiterzugeben.

Sollte das jedoch notwendig sein, lohnt es sich aber womöglich darüber nachzudenken, ob der Code der externen Callback-Funktion nicht besser im Event-Handler selbst aufgehoben wäre. Unsere Beispielfunktion von oben sieht in diesem Fall so aus:

handleChange = (e) => {
  e.persist();
  this.setState(() => ({
    value: e.target.value,
  }));
};

Zuerst rufen wir besagte e.persist()-Methode auf. Anschließend können wir auch in der Updater-Funktion sorglos auf e.target und dessen value-Eigenschaft zugreifen.

Fazit

  • Zum Definieren von Events möglichst immer die Event-Props im JSX verwenden: onChange, onMouseOver, onTouchStart, onKeyDown, onAnimationStart usw. auch wenn es anfangs gewöhnungsbedürftig wirken sollte.

  • Event-Handler müssen explizit an die Klassen-Instanz gebunden werden, wenn auf andere Klassen-Methoden wie bspw. this.setState() zugegriffen wird. Der eleganteste Weg hierfür sind Public Class Properties und Arrow Functions.

  • Eigene Events über die addEventListener()-API zu definieren sollte möglichst vermieden werden. Lässt es sich einmal nicht vermeiden, unbedingt daran denken, diese Events beim Unmounting der Komponente mittels removeEventListener() zu entfernen!

  • SyntheticEvent-Objekte werden „nullified“. Vorsicht bei der Verwendung in Callback-Funktionen außerhalb des jeweiligen Event-Handlers! Hier ist es gut möglich, dass das Event-Objekt beim Aufruf des Callbacks mittlerweile nicht mehr existiert.

  • Mittels event.persist() kann erzwungen werden, dass das das Event-Objekt nicht durch React auf null gesetzt wird.

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